Wettbewerbsverhältnis zwischen Bio-Bauer und Online-Shop trotz unterschiedlicher Vertriebswege

Bei der Frage, ob ein Bio-Bauer und ein Online-Shop-Betreiber im Hinblick auf das Anbieten von Müslimischungen und entsprechenden Zutaten in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, kommt es nicht darauf an, ob der Bio-Bauer auch an Hofläden liefert und nur Großmengen von 5 kg abgibt. Es ist auch nicht maßgeblich, dass beide unterschiedliche Vertriebswege bedienen.

OLG Frankfurt 6. Zivilsenat vom 11.11.2021 zu Az 6 U 81/21 -Bio Bauer

Wettbewerbsverhältnis zwischen Bio-Bauer und Online-Shop trotz unterschiedlicher Vertriebswege

Bei der Frage, ob ein Bio-Bauer und ein Online-Shop-Betreiber im Hinblick auf das Anbieten von Müslimischungen und entsprechenden Zutaten in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, kommt es nicht darauf an, ob der Bio-Bauer auch an Hofläden liefert und nur Großmengen von 5 kg abgibt. Es ist auch nicht maßgeblich, dass beide unterschiedliche Vertriebswege bedienen.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 25.3.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden abgeändert.

Die einstweilige Verfügung vom 24.11.2020 wird – im Sinne eines Neuerlasses – aufrechterhalten mit folgender Maßgabe:

„wie geschehen auf der Internetseite „(…).de“, Anlage A3, A4“

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Eilverfahrens beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Verletzung von Informationspflichten im Rahmen eines Online-Shops.

Der Antragsteller ist Bio-Landwirt und verkauft Getreide aus eigenem Anbau. Daneben bietet er auch Müslis aus eigenem Getreide und zugekauften Zutaten an. Diese Produkte können über eine Website bestellt und nach Absprache auf dem Hof abgeholt werden. Über einen Hofladen verfügt er nicht.

Die Antragsgegnerin betreibt unter der Domain www.(…).de einen Online-Shop, über den sie Müslimischungen vertreibt, die Kunden aus verschiedenen Zutaten selbst zusammenstellen können. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen A3, A4 Bezug genommen.

Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20.10.2020 wegen des Verstoßes gegen gesetzliche Informationspflichten ab. Die Antragsgegnerin wies die Abmahnung zurück.

Das Landgericht hat auf Antrag des Antragstellers der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 24.11.2020 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,

I. im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Fernabsatz an Letztverbraucher betreffend Lebensmittelangebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten,

1. bei denen es sich um nach Volumen von 10 ml und mehr angebotene und/oder beworbene Fertigpackungen handelt, für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) und der Gesamtpreis jeweils unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar angegeben werden und/oder

2. ohne über das gesetzliche Widerrufsrecht, über Form und Frist des Widerrufs, sonstige Fristen, Wertersatz, Rechtsfolgen und Rückabwicklung zu belehren und/oder eine Widerrufsbelehrung ohne Information über das Muster-Widerrufsformular gemäß dem amtlichen Muster zur Verfügung zu stellen und/oder

3. ohne den Liefertermin anzugeben und/oder

4. ohne einen leicht zugänglichen Link zur Online-Streitschlichtungsplattform einzustellen;

II. im elektronischen Geschäftsverkehr zu Zwecken des Wettbewerbs betreffend Lebensmittelangebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten,

1. ohne die Kunden darüber zu informieren, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer selbst gespeichert wird und ob der Unternehmer selbst den Vertragstext dem Kunden zugänglich macht;

2. ohne den Kunden die Möglichkeit zu verschaffen, die Vertragsbestimmungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht die Beschlussverfügung mit Urteil vom 25.3.2021 wieder aufgehoben und den Eilantrag zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, dem Antragsteller fehle es an der Anspruchsberechtigung, da kein konkretes Wettbewerbsverhältnis der Parteien gegeben sei.

Dagegen richtet sich die Berufung des Antragstellers, mit der er seinen Eilantrag weiterverfolgt. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Der Antragsteller beantragt,

das Urteil des Landgerichts Wiesbaden 13 O 2262/20 aufzuheben und die einstweilige Verfügung vom 14.11.2020 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung des Antragstellers hat auch in der Sache Erfolg.

1. Den Eilanträgen fehlt es nicht an der nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bestimmtheit. Zwar sind Unterlassungsanträge, die im Wesentlichen lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen (vgl. BGH WRP 2000, 389 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge). Das gilt jedoch nicht, wenn sich das Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (BGH GRUR 2017, 537 – Konsumgetreide m.w.N.). Der Antragsteller hat seine Anträge nicht ausdrücklich auf die konkrete Verletzungsform bezogen. Aus seinem Vortrag in der Antragsschrift geht jedoch hervor, dass er sich konkret gegen die Angaben in dem Online-Shop der Antragsgegnerin wendet. Die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform („wie geschehen auf der Internetseite „(…).de“, Anlage A3, A4) konnte daher nach § 938 Abs. 1 ZPO als „Minus“ gegenüber dem gestellten Antrag zur Grundlage des gerichtlichen Verbots gemacht werden.

2. Der Verfügungsgrund wird nach § 12 Abs. 1 UWG vermutet.

3. Die Rechtsverfolgung durch den Antragsgegner ist nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG a.F.

a) Die dem Eilverfahren vorausgegangene Abmahnung datiert vom 20.10.2020, mithin vor dem Inkrafttreten des Gesetzes „zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ am 2.12.2020. Es ist daher nicht auf § 8c UWG n.F., sondern noch auf § 8 Abs. 4 UWG a.F. abzustellen.

b) Nach § 8 Abs. 4 S. 1 UWG a.F. ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung wegen einer unzulässigen geschäftlichen Handlung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass eine umfangreiche Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht (BGH GRUR 2016, 961Rn 15 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon, m.w.N.). Weiteres Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen ist es, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann (vgl. BGH GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; BGH GRUR 2019, 199 Rn 21 – Abmahnaktion II).

c) Die Antragsgegnerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass zunächst einige Indizien auf einen Rechtmissbrauch hindeuteten. Nach Abwägung sämtlicher Umstände, insbesondere nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Antragstellers vor dem Senat, kann jedoch ein missbräuchliches Vorgehen nicht angenommen werden.

aa) Auffällig ist zunächst, dass sich die Geschäftstätigkeit des Antragstellers nur zu einem kleinen Teil mit dem von der Antragsgegnerin abgedeckten Warenbereich, nämlich individuell zusammenstellbaren Müslimischungen überschneidet. Der Antragsteller ist Bio-Landwirt. Ausweislich seines Buchführungsauszuges für die Wirtschaftsjahre 2018/2019 bzw. 2019/2020 erlöste er mit dem Produktbereich „Müsli“ zwischen 800 und 900 € pro Jahr (Anlage A2). Der gesamte Umsatzerlös des Betriebes liegt demgegenüber bei 68.000 bzw. 74.000 €. Die Abmahnung betrifft also ein für den Antragsteller wirtschaftlich kaum interessantes Produkt. Das gilt auch, soweit der Antragsteller bestimmte Getreide- und Körnersorten (z.B. Haferflocken, Sonnenblumenkerne, Buchweizen) einzeln, nicht als Müslimischung an Privatleute bzw. an Hofläden verkauft. Mit diesem Segment erzielt er einen Jahresumsatz von ca. 3.000 € (vgl. eidesstattliche Versicherung, Anlage A10, Bl. 145). Er gibt diese Produkte (Müslis und Körner) nicht in Mengen unter 5 kg ab und verkauft sie nur gegen Abholung direkt am Hof. Die Antragsgegnerin bietet demgegenüber entsprechende Produkte im Online-Versandhandel an, vorwiegend in Mengen von 600 g (vgl. Anlage A3). Angesichts der unterschiedlichen Vertriebskonzepte wird es nur zu geringen Überschneidungen bei den fraglichen Kundenkreisen kommen. Für den Antragsteller ist der Vertrieb von Getreideprodukten an Privatleute offenbar nur ein Nebenerwerb. Die geltend gemachten Verstöße gegen Informationspflichten durch die Antragsgegnerin können die wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers daher nicht gravierend beeinträchtigen.

bb) Es kommt hinzu, dass zwischen dem Antragsteller und seiner Prozessbevollmächtigten familiäre Beziehungen bestehen. Die Prozessbevollmächtigte ist die Tochter des Antragstellers. Es könnte daher der Verdacht aufkommen, dass die Rechtsverfolgung in erster Linie dem Zweck dient, der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers eine Einnahmequelle zu verschaffen, indem Verstöße gegen Informationspflichten abgemahnt werden, die durch eine Internetrecherche einfach und kostengünstig ermittelbar sind.

cc) Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestehen jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller häufig oder gar massenweise Abmahnungen aussprechen lässt. Im Rahmen seiner Anhörung bekundete er, seit 2018 lediglich vier Abmahnungen ausgesprochen zu haben. Dabei betrafen zwei Abmahnungen das Verfahren X, das vor dem Senat anhängig war. Andere Abmahnungen betrafen nicht den Geschäftszweig „Müsli“, sondern richteten sich gegen Bäckereien, die der Antragsteller mit Getreide beliefert. Er bekundete für jede Abmahnung einen konkreten Anlass. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Abmahntätigkeit in der Person seiner Prozessbevollmächtigten verselbstständigt hat, indem diese auf eigene Initiative Wettbewerbsverstöße ermittelt und verfolgt, bestehen nicht. Es kommt daher auch nicht entscheidend darauf an, dass die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers diesem gegenüber ihre Leistungen offenbar nicht abgerechnet hat. Die Antragsgegnerin konnte die mündlichen Angaben des Antragstellers nicht widerlegen. Es ist damit von einer nur geringen Abmahntätigkeit auszugehen, die nicht außer Verhältnis zur Geschäftstätigkeit des Antragstellers steht.

3. Es besteht ein Verfügungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 5a Abs. 2 UWG i.V.m. mit den geltend gemachten Informationspflichten.

a) Der Antragsteller ist als Mitbewerber aktivlegitimiert. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis.

aa) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH GRUR 2014, 573Rn 15 – Werbung für Fremdprodukte). An das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses sind im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt (BGH GRUR 2015, 1129Rn 19 – Hotelbewertungsportal). Auch Unternehmen, die auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen agieren, können in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, wenn sie sich im Ergebnis an den gleichen Abnehmerkreis wenden (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 6.4.2017 – 6 U 36/16, Rn 18, juris m.w.N.).

bb) Die Parteien bieten beide Müslimischungen und Zutaten dafür (Körner und Kerne) an. Es liegen also austauschbare Produkte vor. Entgegen der Ansicht des Landgerichts richten sich die Produkte auch an denselben Kundenkreis, nämlich an Endverbraucher. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller zum Teil auf einer vorgelagerten Wirtschaftsstufe, nämlich als Lieferant von Hofläden tätig ist. Es kommt auch nicht darauf an, dass der Antragsteller nur Großmengen ab 5 kg abgibt. Schließlich ist auch nicht maßgeblich, dass die Parteien völlig unterschiedliche Vertriebswege bedienen (Online-Versand bzw. E-Mail-Bestellung und Abholung am Hof). Die wettbewerbsrechtliche Anspruchsberechtigung hängt nicht vom Umfang und Zuschnitt der unternehmerischen Tätigkeit des Mitbewerbers ab. Auf die am 1.12.2021 in Kraft tretende Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, die einen Vertrieb der maßgeblichen Waren in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich voraussetzt, kommt es im Streitfall nicht an.

cc) Zu Unrecht meint das Landgericht auch, die Parteien seien nicht auf demselben räumlichen Markt tätig. Insoweit genügt eine Überschneidung der Märkte. Die Antragsgegnerin bietet ihre Leistungen bundesweit im Online-Handel an, mithin auch in Stadt1, wo der Antragsteller seinen Hof betreibt.

dd) Die Parteien sind auch in zeitlicher Hinsicht auf demselben Markt tätig. Die angegriffenen Verstöße beziehen sich auf Oktober 2020. Das Landgericht ging davon aus, der Antragsteller habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass er auch in diesem Zeitraum die streitgegenständlichen Leistungen angeboten hat. Tatsächlich beziehen sich die als Anlage A2 vorgelegten Buchhaltungsauszüge auf die Wirtschaftsjahre 2018/2019 bzw. 2019/2020. Die Zahlen für Oktober 2020 sind dort wohl noch nicht erfasst. Die vorgelegte Preisliste (Anlage A1) ist als „Preisliste 2019“ ausgewiesen. In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsteller allerdings weitere Auszüge aus Buchhaltungskonten vorgelegt, die sich auf die Monate Juni und Juli 2020 bezogen (Bl. 99 d.A.). Auch dies war nach Ansicht des Landgerichts nicht ausreichend, um eine durchgehende unternehmerische Tätigkeit auf dem relevanten Markt zu belegen, die sich auch auf den Verletzungszeitraum erstreckt. Es kann dahinstehen, ob diese Auffassung zutrifft. Im Berufungsverfahren hat der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, wonach er sein Müsli auch im Oktober 2020 angeboten hat und es nach wie vor verkauft (Anlage A10). Das ist ausreichend.

ee) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung nicht präkludiert. Es ist umstritten, ob § 531 ZPO im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anwendbar ist (vgl. Zöller/Heßler ZPO, 32. Aufl., § 531 Rn 1; a.A. MünchKommZPO/Rimmelspacher, 4. Aufl., § 531 Rn 3). Jedenfalls sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unter den dort genannten Voraussetzungen zuzulassen. Dabei sind die Besonderheiten des Eilverfahrens zu berücksichtigen (OLG Köln, Urteil vom 14.7.2017 – 6 U 197/16, Rn 94, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 29.8.2014 – 6 U 850/14, Rn 58, juris). Eine Nachlässigkeit ist dem Antragsteller unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Eilverfahrens nicht vorzuwerfen. Er hat in der mündlichen Verhandlung weitere Unterlagen vorgelegt und ging offenbar davon aus, damit den Bedenken des Landgerichts, die sich aus den zuvor erteilten Hinweisen ergaben (Bl. 90 d.A.), Rechnung zu tragen.

ff) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin in ihrem einen Tag vor dem Senatstermin eingereichten Schriftsatz vom 10.11.2021 kommt es nicht darauf an, dass die Antragsgegnerin beschlossen hat, künftig keine Müslis für Verbrauchern mehr anzubieten und ihren Online-Shop angeblich abgeschaltet hat. Die das Wettbewerbsverhältnis begründende unternehmerische Tätigkeit muss als Voraussetzung der Aktivlegitimation lediglich auf Seiten des Antragsstellers zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch andauern. Der Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin erlischt nicht dadurch, dass diese ihre unternehmerische Tätigkeit einstellt (BGH GRUR 2001, 453 – TCM-Zentrum). Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sie mit der angegriffenen Verkaufstätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt wieder beginnt. Die Wiederholungsgefahr für den Wettbewerbsverstoß lässt sich nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausräumen.

b) Die Antragsgegnerin hat die geltend gemachten Informationspflichten verletzt.

aa) Antrag zu I. 1):

Das Angebot nach Anlage A3 verstößt gegen § 2 Abs. PAnGV. Danach hat, wer Verbrauchern gewerbsmäßig Waren in Fertigpackungen, offene Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, neben dem Gesamtpreis auch den Preis je Mengeneinheit in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben. Eine Angabe des Preises je Mengenangabe ist auf der Übersichtsdarstellung nach Anlage A3 nicht erkennbar. Ohne Erfolg verweist die Antragsgegnerin für ihren gegenteiligen Vortrag auf die Angabe „€ 0,00 / kg“ unterhalb des Bestellbuttons (vgl. Anlage A3 und Anlagen AG6 und AG 1, Bl. 45, 49 d.A.). Der dort angezeigte Kilopreis bildet die Auflösung zu einem Sternchenhinweis, der dem Gesamtpreis nach Auswahl der Produkte durch den Kunden zugeordnet ist. Der Kunde kann mehrere Getreidesorten (auch unterschiedlicher Preise) mischen und erhält dann einen Gesamtpreis. Die Angabe erfüllt nicht die Anforderungen an die „unmittelbare Nähe“ zum Gesamtpreis. Die Angabe des Kilopreises ist in der „Sternchenauflösung“ Teil eines mehrere Angaben umfassenden Hinweises zu Versandbedingungen, MwSt. und – an letzter Stelle – Grundpreis.

bb) Antrag I. 2):

Die Antragsgegnerin hat mit ihrer in § 11 der AGB vorgesehenen Belehrung nicht vollständig über das nach § 312g Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht belehrt. Das Widerrufsrecht besteht nach § 313g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht, für Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Die Antragsgegnerin bietet auf ihrer Internetseite nicht nur Mischungen nach Kundenwunsch, sondern auch Fertigprodukte an. Unstreitig unterhielt die Antragsgegnerin auf ihrer Internetseite eine Rubrik „Spezial-Müsli“ (Anlage A4). Unter dieser Rubrik bot sie nach dem Vortrag des Antragstellers selbst hergestellte Fertigmischungen (also nicht nach Kundenwunsch zusammengestellte Mischungen) an, wie z.B. „Birchermüsli“, „Sportlermüsli“, etc. Diesem Vorbringen ist die Antragsgegnerin nicht mit Substanz entgegengetreten. Sie kann sich nicht darauf berufen, auch diese Mischungen seien nicht vorproduziert, sondern nach Kundenwunsch individualisierbar. Jedenfalls ist es offenbar möglich, exakt die vorgeschlagene Mischung eines bestimmten Namens (z.B. Porridge) mit den entsprechend vorgegebenen Zutaten zu bestellen (vgl. Anlage AG9, Bl. 84 d.A.). In der Widerrufsbelehrung heißt es, das Widerrufsrecht erstrecke sich „nur auf handelsübliche Standard-Artikel, wie beispielsweise Merchandisingartikel“. Das ist nicht ausreichend. Außerdem fehlt es an hinreichenden Angaben zu Form und Frist des Widerrufsrechts.

cc) Antrag zu I. 3):

Gemäß § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Nr. 7 EGBGB ist der Online-Händler verpflichtet, dem Verbraucher Informationen zu Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen und dem Termin, bis zu dem er die Ware liefern muss, zur Verfügung zu stellen. Anstelle eines Termins genügt auch die Angabe eines Lieferzeitraums oder des spätesten Liefertermins (Palandt/Grünberg BGB, 80. Aufl., Art. 246 EGBGB Rn 8). Gemäß Art. 246a § 4 EGBGB müssen diese Informationen in klarer und verständlicher Form vor Vertragsschluss gegeben werden. Dieser Pflicht kam die Antragsgegnerin nicht nach. Sie gab auf ihrer Angebotsseite keine Lieferzeit an. Soweit sie unter „FAQ“ unter „Bezahlung“ Angaben zur Lieferzeit machte (1 – 3 Tage), genügt dies nicht dem Gebot der Klarheit. Der Verbraucher erwartet Angaben zur Lieferzeit nicht erst unter der Rubrik „FAQ“. Nicht jeder Verbraucher wird diese Rubrik zur Kenntnis nehmen.

dd) Antrag zu I. 4):

Die Antragsgegnerin hat es versäumt, einen Link zur Streitschlichtungsplattform für Onlinegeschäfte vorzuhalten. Der Link zur OS-Plattform nach Art. 14 ODR-VO war aber erforderlich, weil es sich bei der vorliegenden Gestaltung um ein Angebot zum „Online-Kauf“ im Sinne dieser Vorschrift handelt. Nach der Definition dieses Begriffs in Art. 4 Abs. 1 lit. e) ODR-VO liegt ein solcher Vertrag vor, wenn die Ware auf elektronischem Wege angeboten und bestellt wird. Hierfür reichen nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung eine Aufforderung zur Abgabe eines Kaufangebots auf einer Internetseite und die auf elektronischem Wege übermittelte verbindliche Bestellung durch den Verbraucher aus (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.11.2018 – 6 U 103/18, Rn 16, juris).

ee) Antrag II. 1):

Gemäß § 312i Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 c Nr. 2 EGBGB hat der Online-Händler den Kunden darüber zu informieren, ob der Vertragstext nach Vertragsschluss von ihm gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist. Auch das hat die Antragsgegnerin unterlassen. Die als Anlage AG8 vorgelegte Bestellbestätigung enthält eine solche Belehrung nicht.

ff) Antrag II. 2):

Auch dieser Antrag ist begründet. Gemäß § 312i Nr. 4 BGB müssen Unternehmer, die sich zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien bedienen, ihren Kunden die Möglichkeit verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der AGB bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern. Die Antragstellervertreterin hat anwaltlich versichert, dass diese Möglichkeit bei Überprüfung der Website am 20.10. und am 12.11.2020 bei Vertragsschluss nicht bestand (Bl. 58 d.A.). Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin hat demgegenüber eidesstattlich versichert, zum 20.10.2020 habe per Link die Möglichkeit bestanden, auf die AGB „zuzugreifen“ (Anlage AG4, 7). Außerdem hätten Kunden eine Bestellbestätigung erhalten, die den Vertrag wiedergab (Anlage AG4, 8). Die Möglichkeit, auf die Vertragsdokumente „zuzugreifen“ genügt nicht. Es muss die Möglichkeit bestehen, sie in wiedergabefähiger Form zu speichern. Die von der Antragsgegnerin angeführte Möglichkeit, der Kunde könne ja über die Speicherfunktion seines Browsers die komplette Website speichern, genügt ebenfalls nicht. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine vom Verkäufer verschaffte Speichermöglichkeit.

c) Sämtliche Informationspflichten beruhen auf der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie. Daraus folgt ohne weiteres, dass es sich gemäß § 5a Abs. 4 UWG um wesentliche Informationen handelt, die dem Verbraucher gemäß § 5a Abs. 2 UWG nicht vorenthalten werden dürfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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